S 28 EXTRA MARKTPLATZ BILDUNG 41. WOCHE | BERLINER MORGENPOST Raus aus den böhmischen Dörfern In Kreuzberg bilden sich Frauen in Multimedia und EDV weiter. Für einige ist es der erste Kontakt mit Webtechnologie JavaScript, PHP oder auch MySQL: Für Katrin Wessel waren diese Begriffe aus der Webtechnologie bislang „böhmische Dörfer“. „Aber inzwischen weiß ich, wovon die Rede ist. Moderner war ich nie“, sagt sie freudestrahlend. Beim inhaltlichen Einstieg half ihr die Fortbildung zur „Content und Social Media-Managerin“, die sie gegenwärtig im FrauenComputerZentrumBerlin e.V. (FCZB) absolviert. „Zu wissen, wo in der Technik der Hase läuft – darauf war ich neugierig“, erklärt Katrin Wessel ihre Entscheidung für eine Fort- ADRIENNE KÖMMLER T VON ADRIENNE KÖMMLER Vor der Oberbaumbrücke Das Frauencomputerzentrum liegt an der Spree. Katrin Wessel erholt sich am Ufer bildung. Sie habe in der Vergangenheit in kleineren Jobs oder auch als freie Autorin gearbeitet. In der Zeit ihres PR- und Literaturstudiums sei das Handwerk der modernen Social Media-Kommunikation und Online-PR kein Thema gewesen. Um diese Lücke zu schließen sowie ihre Instrumentarien zu erweitern, entschied sie sich für das über sechsmonatige FCZB-Vollzeit-Angebot. Inhaltliche Schwerpunkte: Wie erstellt und bearbeitet man Webseiten? Was ist bei Urheberfragen, was beim Datenschutz zu beachten? Ebenso: Netzwerken über Xing, LinkedIn oder Facebook. Insgesamt 17 Frauen nehmen an der Weiterbildung teil. Die Frauen-Gruppe funktioniere toll, sagt Katrin Wessel. Es gebe Hilfsbereitschaft und keinerlei Scheu, mal eine „dumme Frage“ zu stellen, weil die Lernatmosphäre offen und tolerant sei. Angst, sich zu blamieren, habe in diesem geschützten Rahmen niemand. Berufliche Neuorientierung Mit dem Ziel, „sich als Berufseinsteigerin zu orientieren“, hatte Jenny Dobberschütz nach einer Weiterbildung gesucht. Sie entschied sich für die FCZB und lernt nun gemeinsam mit Katrin Wessel. Die 33-Jährige hat Politikwissenschaft studiert und will ein paar technische Raffinessen dazulernen. Überzeugt habe sie am Konzept der FCZB vor allem die Mischung von Präsenzzeit mit jeweils fünf Stunden an vier Tagen pro Woche, und tägliches, individuelles E-Learning. Attraktiv findet sie die für Frauen sinnvollen familienfreundlichen und flexiblen Lernzeiten. Berufsrückkehrerinnen, Erwerbslose, Studentinnen, Selbstständige oder auch Angestellte – darunter auch gesundheitlich be- einträchtigte Frauen – gehören zu den Zielgruppen der FCZB. Auch Frauen, die gerade nicht aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, hoffen durch die Weiterbildung auf einen Neuanfang. Denn seit 14 Jahren kümmert sich das FCZB auch um die berufliche Bildung von Frauen, die gerade ihre Gefängnisstrafe absitzen. Das Lehrkonzept ist der ganzheitliche Ansatz der Vermittlung von IT-Kompetenzen. „Wir gestalten den Lernprozess, indem wir an berufliche Vorerfahrungen, Unterschiede, Gemeinsamkeiten der Erfahrungen, Hintergründe und Potenziale der Frauen anknüpfen und dies mit dem technischem Know-how verbinden, das aktuell auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist“, sagt Duscha Rosen. „So entstehen individuell verschiedene, neue berufliche Perspektiven für die Teilnehmerinnen.“ Seit 1995 arbeitet sie beim FCZB, das in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiert und für seine Arbeit mehrmals prämiert wurde – unter anderem beim Wettbewerb „Wege ins Netz“. „Gerade in führenden Positionen in der IT- und Internetbranche sind Frauen immer noch unterbesetzt“, bedauert die FCZB-Mitarbeiterin. Von damals bis heute „Keine Angst vor Computern“ hieß es im Zentrum 1984 bei der bundesweit ersten IT-Fortbildung nur für Frauen. War das Thema damals noch brandneu, ist es heute neben der Vermittlung selbstorganisierten Lernens immer noch ein Job-Motor. Die Nachfrage nach IT-Fortbildung unter Frauen, ohne Männer, die diesen Bereich zu ihrer Domäne erklärt haben, ist groß, in den zurückliegenden Jahren hat das Zentrum sein Personal deutlich erhöht. Arbeiteten bis zur Jahrtausendwende maximal zehn Mitarbeiterinnen, um das das technische Know-how ihrer Kundinnen aufzupolieren, sind es heute schon gut zwei Dutzend. Die Chance auf einen Arbeitsplatz erhöhe sich mit der Weiterbildung deutlich, sagt Duscha Rosen: „Rund 80 Prozent unserer Teilnehmerinnen, die sich zum Beispiel im Content und Social Media-Management weitergebildet haben, finden hinterher einen Job.“ Darauf hoffen auch Jenny Dobberschütz und Katrin Wessel, die im Dezember ihren Kurs abschließen werden. Jubiläum und Programm Geburtstag Das FrauenComputerZentrumBerlin e.V. (FCZB) feiert in diesem Jahr sein 30jähriges Jubiläum. Das FCZB ist auf den Gebieten der Qualifizierung und Begleitung von Frauen bei Berufs- und Wiedereinstieg sowie in der Organisations- und Personalentwicklung aktiv. Kurse Der nächste Content und Social Media-Managagerin-Kurs beginnt am 17. November. Für Computer-Einsteigerinnen beginnt die modulare Fortbildung „IT- und Medienkompetenz für den Berufsalltag“ am 20. Oktober. Bildungsgutscheine der Arbeitsagentur werden angerechnet.
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